Am Namenstage des kleinen Theodor

Nein, ich will die Mama [III:Mutter] nicht betrügen,
Denn ich weiß, es hat’s ihr Herz begehrt,
Dorinka ist schon ein Liedchen werth,
Und in unsern lieben Kästchen liegen
Ja so viele,Verse, die Papa [III:ich ihr] bescheert!
War im Actenstaub auch [III:Actenstaube] lang vergraben,
Gucke [III:Schaue] gern nun einmal froh empor,
Und wir armen deutschen Leute haben
Ja so wenig, was uns hier kann laben,
Wär’s die Gottesgabe nicht, der Theodor!
Und dies h e u t e sollte mich nicht rühren?
Ach, der arme Kleine war schon [I:blau und] todt,
Und nun blüh’n die Bäckchen rosenroth,
Und die Füßlein [III: Füßchen] wollen galloppiren!
In dem kleinen Purpurmäulchen steht
Schon ein Perlenpaar; vom Alphabet
Hören wir schon so viel Töne züngeln;
Alle Schlüssel in dem Hause klingeln;
Und wo Papa mit der Trommel geht [III:Wo der Vater mit der Pfeife geht,]
Greift er lustig hin nach seinen [III: Greift der Kleine nach den] Tabaksringeln.
Wenn ich früh die liebe Mama [III: Mutter] wecke,
Hör’ ich’s schon, wie lang’ ein Vöglein pfeift,
Bis mit [III:wie] Hörnerchen der Gartenschnecke
Nach dem Licht sein Fächerhändchen greift,
Und wenn ln der ersten Abendstunde
Zwischen uns die Theemaschine braut,
Hat er auch sein Vögelchen im Munde,
Dem er schon die Farben abgekaut.
Dort auch kommen ihm wohl Läun’chen an;
Will bald Papa’s Manuscripte schmausen,
Bald den Backenbart, die Locken zausen;
Bald ist ihm der rothe Ball zu weit,
Oder mit dems papp’nen Hackemann
Hackt er sich ins Fingerchen und schreit;
Tanzen soll man, in die Hände klatschen,
Daß im Takt er kann sein Herzlein patschen:
Und so geht es, bis die müde Amme
Ihm ein Abendliedchen singt vom Lamme
Und die Mamma [III:Mutter] von dem frommen Schaf,
Und dann singt er selbst sich mit in Schlaf!

Liebe sie denn [III: Sollst sie denn auch lieben], die mit zarten Tönen
Dir die schönsten Liederchen doch sang!
Die einst um dein Leben schon mit Stöhnen
Tag und Nacht [III:zu Gott] die Hände rang!
Sollst dein todtes Brüderchen auch lieben,
Denn die Mamma [III:Mutter] hat es auch gebait;
Auch sein Spielzeug ist[I: auch sind seine Sächelchen] Dir all’ geblieben,
Und es nahm nur mit sein Sterbekleid!
Willst dein Brüderchen noch einmal seh’n? .
Komm’, wir wollen zu dem Spiegel geh’n!
Beide, beide werden sich da greifen,
Beide hundertmal vor Freude pfeifen,
Beide liebe Kinder siehet dann Mamma,
Ihren Gustinka und Dorinka!

O du gutes Kind, ein Gott bewahre
Dir noch spät die leichte Kindlichkeit!
Brauner werden [I:jährlich] Deine blonden Haare,
Die Dich führten [III: liebten], liegen auf der Bahre,
Und dein Herz zuckt unterm Haß der Zeit: —
Wohl dir, wenn dir dann in jedem Grame
Noch ein Lächeln aus der Kindheit blieb,
Und wenn unsrer Herzen bester Same
Schön aus unsres Kindes Hülle trieb!
Wenn du auch am allerschlimmsten Tage
Zehnmal noch in stiller Freude bebst,
Säuglingsruh’ in Sorgenstürme webst,
Und dein Herz beim schwersten Schicksalsschlage,
Reiner auf zu deinem Himmel hebst! —

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