Woltemade. (Ballade.)

Schon lange brauste aus der Meeresflut
Von Süden eine edle Trauersage;
Gern gäb’ ich meines Lebens Ruhm, mein Blut
Um diese That, doch nur des Liedes Klage
Ist der Bewund’rung einziger Tribut!
Bald möchte d’rob der Mund wehmüthig schwelgen,
Bald zu den höchsten Feiertönen steigen.

Dort in der Tafelbay, wo von der Fahrt
Des langen Weg’s die müden Schiffe rasten,
Wo oft der Anker in die Tiefe knarrt,
Mit frischem Trank die Fässer zu belasten:
Dort hatte lange schon ein Schiff geharrt,
Ob günst’ger Wind die Segel würde schwellen,
Um hinzusteuern in die Ind’schen Wellen.

Still lag das Schiff, doch brach um Mitternacht
Ein dumpfes Brausen aus des Strandes Klüften;
Die Flagge schleudert um den Knauf; erwacht
Stürzt sich der Sturm aus fernen Meeresgrüften;
Hochfluthend dringt die krummgewölbte Macht
Der Wogen in des tiefen Golfes Schranken,
Und peitscht mit schaum’gem Grimm des Schiffen Planken.

Bestürzung tummelt sich aus dunklem Bord;
Das Schiffsvolk klettert auf die hohen Stangen,
Wiegt taumelnd sich im Tauwerk hier und dort,
Um die zerzausten Segel einzufangen;
Doch Keiner hält sich fest an seinem Ort,
Denn von den Wellen wird er umgestoßen,
Die das Verdeck schon thurmhoch übergossen.

Das Tauwerk reißt, es seufzt der Mast und springt
Zersplittert in die Gischt der Fluth; erhaben
Bäumt sich das Steuer himmelan; es ringt
Der Bugspriet, sich im Abgrund zu begraben;
Der Anker reißt sich los; wie Glas zerklingt
Er an dem nächsten Felsen, und zerscheitert
Ist auf die Sandbank schon das Schiff geschleudert.

Da braust zur Tafelbay des Sturmes Hauch,
Wo bei der Flamme Hottentotten wachen;
Wild wirbelnd fassen Funken Strauch auf Strauch,
Den ganzen Berg zu einem Brand zu fachen;
Durch schwarze Nacht zum Himmel fliegt der Rauch,
Und gräßilich überleuchten rothe Gluten,
Des stürm’schen Meeres weiß beschäumte Fluten.

Neugierig, grauend läuft das Volk zum Strand,
Wo hell das Wrack im Bergschein widerschimmert,
Hört, wie die Mannschaft nach dem Uferland
Um Rettung durch die Brandungs-Donner wimmert,
Sieht, wie sie knie’n mit bang gerung’ner Hand,
Und wie sie All’ in Todesnöthen zagen:
Doch Keiner will für sie sein Leben wagen.

Und ungestümer kommt in’s Halmendach
Von einem Bauersmann der Sturm geflogen,
Der siebzigmal hier junge Datteln brach,
Und siebzigmal Constantia-Wein gezogen;
Er rüttelt wild den alten Schläfer wach,
Jagt vor das Aug’ ihm rothe Fenersäulen,
Und trägt ihm an das Ohr der Menge Heulen.

Er schwingt sich auf sein Roß, er drängt sich vor,
Es ruft die Noth: “Erbarme dich, erbarme!”
Er jagt am Ufer auf und ab, empor
Zum Himmel streckt er seine dürren Arme,
Und ob die Brandung schon empörter gohr,
Er mißt mit gier’gem Blicke nur die Weite,
Und schlägt dem Roß die Ferse in die Seite.

Und schaudernd schnarcht das Thier und schnaubt und bäumt,
Dem treuen Thiere scheint die Kraft zu zagen,
Er reißt es auf, er hält es hoch gezäumt,
Und treibt’s, bis um den Huf die Wogen schlagen
Und treibt’s, bis sich die breite Brust beschäumt, —
Und jetzt — mit einem Sprung — ist’s überwunden,
Und in der Brandung Roß und Mann verschwunden.

Sie tauchen auf; es schleudert der Orkan
In Bogen oft zurück den wack’ren Reiter;
Doch nicht zurück, nur vorwärts bricht er Bahn,
Und kämpfet unermüdet weit und weiter;
So langt er endlich bei dem Schiffe an:
“Zwei”, ruft er, “stürzen sich von euch hernieder
An meines Rosses Schweif — ich kehre wieder!”

Er schwimmt zurück, er stürzt hinan, hinab,
Er rastet nicht, läßt nicht das Thier verschnaufen;
Es steigen immer mehr am Tau herab,
Und sammeln sich am Strand zu einem Haufen.
Gelobt sei Gott! So hat vom Wellengrab
Das brave Thier durch das Gefecht der Wogen
Schon vierzehn Menschen an das Land gezogen.

Erschüttert warnt der Strand im Wellenstoß,
Rings knieen die Geretteten und beten,
Die Seinen suchen mit Gewalt dem Roß
Den Weg zum Untergange zu vertreten:
Umsonst! er hört sie nicht, er reißt sich los,
Den Blick allein gekehret zu dem Schiffe,
Und stürzt noch einmal von dem Felsenriffe.

Bald langt er an, da schon der Trümmer droht
Den letzten Kampf mit wilder Fluth zu ringen;
Wohl hört das bange Schiffsvolk fein Gebot:
“Nur Zweie sollen zu ihm niederspringen!”
Ein Dritter folgt, und reißt in Todesnoth
Am Zaum das müde Thier und seine Brüder
Und Woltemade in die Tiefe nieder!

Zur dunklen Kohle ward des Berges Glut,
In tiefe schwarze Finsterniß vermummte
Die Mitternacht die weite Meeresflut,
Der Armen letztes Angstgeschrei verstummte,
Das Wrack verschlang der Wogen wilde Wuth,
Und früh sah man am Strande über Leichen
Die hohe Sonne blutgeröthet steigen.