Im Frühling 1817. (Nach großer Theuerung.)

Endlich grünt das Land in neuen Halmen,
Weithin ist besiegt der stumme Tod,
Dreimal heilig tönt’s in Vogel-Psalmen:
“Gott stillt aller Kreaturen Roth!”
Keine Kummerthräne soll mehr fließen,
Frühlings-Balsam soll die Wunden schließen,
Fülle will er in die Oede gießen,
Will die bleichen Wangen färben roth!

Ja, als wollt’ er schmelzen alle Sinne,
Wird ein Paradies das ganze Land!
Tief im Thal und an der Felsenzinne
Schreibt mit Sonnenstrahlen seine Hand!
Hat das Leichentuch kaum abgezogen,
Und es wallt die Wies’ in Blumenwogen,
Und es prangt des Bundes Farbenbogen
Ueber jenes Berges Wollenwand!

Und das arme Würmlein regt sich wieder,
Das er unter’m Staub beim Namen ruft,
Und es wirft mit glänzendem Gefieder
Seinen Stein von seines Grabes Gruft!
Siehet neuen Himmel, neue Erde,
Und aus unbekannter Nacht verklärte
Sich das Blümchen, das nach Licht begehrte,
Und das Veilchen schickt ihm seinen Duft!

Wär’s umsonst, daß Lerchen vor uns steigen?
Daß das Veilchen tauscht ein neues Kleid?
Jene himmelan den Weg uns zeigen?
Sterblich Würmlein spräch’ Unsterblichkeit?
Was empor uns zieh’t mit trunk’nen Blicken,
Singt wohl: “Laß die Erde hinter’m Rücken,
“Schlag’ mit deinen Wünschen neue Brücken
“Ueber’n wilden Todesstrom der Zeit!”

So zum Himmel soll der Frühling ziehen,
Gott meint andern Lenz nach Winterschmerz!
And’re Welt soll uns aus dieser blühen,
Neue Sonne schau’n in’s dunkle Herz!
Hoffnung gibt er, die das Todte tödtet,
Stunden, wo es in uns knie’t und betet,
Andacht, die die inn’re Wange röthet,
Und uns sehnend leitet himmelwärts.

Sieh, bei Gott sind keine ew’gen Grüfte!
Denn er ist, und ich — ich werde sein!
Und durch die warmen Frühlingslüfte
Weh’t es sanft: “Der Tod ist nur ein Schein!”
Und Verwesung ist des Lebens Krone,
Und die Gräber werden Himmelsthrone,
Und ich baue auf das Wort vom Sohne:
“Was ich in ihm liebte, bleibt auch mein!”

O, wie schön muß sich’s im Frühling sterben,
Wo der Arm der Hoffnung mich umschlingt,
Wo durch meines Aug’s gebroch’ne Scherben
Ew’ger Frühling in die Seele dringt!
Wo das Kreuz mir wird zum Blumenstabe,
Wo ich schon des Himmels Vorhof habe,
Und zu jenem himmelblauen Grabe
Auf mein letzter — letzter Seufzer ringt!