Mariä Verkündigung

Fest – gefällig am Sonntage Judica  [Ilmenau, 24. März 1822 ]

Ps. 103, 20. 21. 22. Lobet den Herrn ihr seine Engel u. s. f.

Das was thöricht ist vor der Welt, sagt Paulus, hat Gott erwählt, das er die Weisen zu Schanden mache und das unedle vor der Welt, und das Verachtete hat Gott erwählt und das da Nichts ist, das er zu Nichte mache das, was Etwas ist.-

Und solche Thorheit, solch scheinbar verächetlich   Nichts, das den natürlichen Menschen empört, sollen wir euch theurer machen, auch an diesem Tage! denn was kann thörichter und rasender scheinen, was mag mehr die Gesetze aller irdischen Erscheinungen überschwingen, als – eine Engelerscheinung – und einer Jungfrau Empfängniß, wie sie unser Evangelium erwähnt!

Und doch führet uns dieses Fest solche Thorheit vors Auge! doch – fliegt uns heute ein Engel im Evangelium vorüber und verkündige Jesu wunderbare Entstehung auf Erden! Und doch erlaubt uns das Wort Gottes, das immerdar der Welt das Seltsame und Unbegreiflichste bot, nicht, diese Dinge zu verschweigen oder heuchlerisch zu umgehen. – Vielmehr nennt es uns Haushalter über Christi Geheimnisse. Unser ganzes Amt- und Christenleben ist darauf gestellt, mit diesen Geheimnissen zu ringen und ihnen himmlischen Trost zu entringen.

Was sollen wir un sagen zu denen, die uns rathen möchten, diese Geheimnisse unserer Religion lieber mit Stillschweigen zu umgehen und uns lieber allein mit der Sittenlehre zu beschäftigen? Wir antworten, daß ja unsre ganze Sittenlehre auf das Geheimniß der Menschwerdung Jesu gegründet ist, und wenn der Grund unrein, verdächtig und schwankend ist, dann auch unsere ganze Sittenlehre nur ein schwankendes bleibt! – Und wie sollen uns gar die bedenken, die es wol gar für unanständig halten könnten über biblische Gegenstände zu sprechen, die leicht unreine Nebengedanken erwecken könnten? – Doch nur ein schon unzüchtiger Geist kann hierbei auf Unzüchtiges fallen. – Die reines Herzens sind, werden darin Gott schauen!

Und darum soll uns auch heute das Wort Gottes nicht umsonst veranlassen, es in seinen Tiefen zu verfolgen. Ihr werdet auch vielleicht hier fühlen, daß wir kein Geheimniß des Evangeliums ungestraft umgehn; vielmehr vielleicht einsehn, daß solche Lehren der ächte Prüfstein sind für Glauben und Unglauben, für ruhige Prüfer oder oberflächliche Geister, und daß wer diese Geheimnisse läugnet, zugleich auch die Nothwendigkeit unserer Heiligung mit läugnet. –
Laßt uns denn Gott bitten, daß er uns wolle mit seinem Waffen rüsten, zu entfliehn der falschen Propheten Listen. Laßt uns ihn bitten, daß sein heil. Geist unsern schwankenden Glauben nähre. – Wir singen: Gott der Vater –

E v a n g e l i u m.

[wahrscheinlich Lk 1,26-38]

Und im sechsten Mond ward der Engel Gabriel gesandt von GOtt in
eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertrauet war einem Manne mit Namen Joseph vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach:

Gegrüßet seiest du, Holdselige! Der HErr ist mit dir, du Gebenedeiete unter den Weibern. Da sie aber ihn sah, erschrak sie über seine Rede und gedachte:Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr:

Fürchte dich nicht, Maria; du hast Gnade bei GOtt funden. Siehe; du wirst schwanger werden im Leibe und einen Sohn gebären,des Namen sollst du JEsus heißen. Der wird groß und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und GOtt der HErr wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben. Und er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich, und seines Königreichs wird kein Ende sein.

Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten;darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird GOttes Sohn genannt werden.

Und siehe, Elisabeth, deine Gefreundete, ist auch schwanger mit
einem Sohn in ihrem Alter und gehet jetzt im sechsten Mond, die im
Geschrei ist, daß sie unfruchtbar sei. Denn bei GOtt ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des HErrn Magd; mir geschehe,wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Es ist dies der erste zarte Augenblick, der erste Punkt, wo das neue Reich des Lichts – wo Christenthum auf Erden verkündigt wird.

Fragt ihr, warum wol dieser Punkt, hier in der Leidenszeit Christi, gleich vor seinem Einzuge zu seinem Tode wiederholt werde? – –

Wol darum, das ihr den geheimnißvollen Raum von 33 Jahren, da Jesus lebte, noch Einmal als Eins zusammenfasset; daß Ihr Eingang und Ausgang, Jesu herniederkunft und Jesu Heimgang zum Vater vereint.

Ein Engel tritt darin vor uiner Auge und die edle Maria. Zwei Gestalten, die wir einfach gegeneinander zu halten haben.

Beide aber – die E r s c h e i n u n g des  E n g e l s und die Wahl der
u n s c h u l d i g e n Maria werden unsre Richter sein! Beide werden einen Maasstab an uns legen, wie weit wir ein Höchstes kennen oder nicht, wie weit wir über Christenthum und seine Bestimmung zu uns nachgedacht haben oder nicht. Der Spruch wird sich von neuem bewähren: _wer da nicht glaubt, der ist schon gerichtet.

Wir fragen hierauf zuerst: wer soll uns heute verkündigt werden?
Ein neues, fremdartiges Wesen, in Menschengestalt, wie es noch nie erschien;
Ein Geist, der die Gesetze der Natur überflog, dem Wind und Wellen gehorsam sind, und der sich selbst im Tode das Leben giebt;

Eine menschliche Erscheinung, die doch ü b e r aller Menscheit steht, – zuerst den Himmel der erde verbindet, – alle Zauber tieferer Liebe unter uns brachte, und ungeheure Nachschöpfungen seines heil. Geistes auf Erden gegründet!
Eine heilige Kraft, die jeden, der sie näher berührt, gewinnt und verwandelt, veredelt und ihm zuletzt das Bekenntniß abnöthigt: “sie sei aus Gott geboren.”
Und dieser heilige Geist, der sich selbst den Sohn Gottes nennt, ist es, dessen thierische Zeugung hier geläugnet und dessen wunderbare Empfängniß von einem Boten Gottes verkündigt wird.

Lasset uns ruhig prüfen, wie weit hierbei die Gesetze unseres Denkens reichen. Lasset uns hierbei die milden Wege Jesu betreten, der uns selbst auf die Natur, als auf Gottes äußeres Wort hinweist, um uns duch sie den Blick in die Geisterwelt zu erleichtern. Wir fühlen uns um so mehr dazu genöthigt, als uns die Feinde der Offenbarung die Gesetze der Natur uns entgegenhalten, um die Geheimnisse der Schrift zu untergraben, da sie doch dazu nur dienen sollen, auf sie näher hinzuweisen.

Folgt mir ruhig nach! – Man hat diese Erde wieder erkannt als einen Stern, gleich den anderen Sternen des Himmels. – Die große Wahrheit war wiedergefunden, daß diese kleine Erde schwimme in einem Meer der Luft. Man glaubte ein neues entdeckt zu haben und prieß die Zeit glücklich über der alten. Doch fand man zu seiner Beschämung, daß Hiob schon ein paar Jahrtausende zuvor gesagt: “Gott hängt die Erde ans Nichts.” –

Man fühlte aber, diese dunkle Erde könne ihre Bahn nicht so richtig  wandeln ohne obere Kräfte, ohne ein gesitig Band, das ihren ungeheuren Flug leite. Wir überzeugen uns in jeder kühlen Nacht, daß diese Erde todt wäre ohne das warme Lebensbad der Sonne, das ihr täglich von einem “D o r t h e r” gesendet wird. Wir sehen an jedem Morgen, wie der Lichtstrahl als ein Sonnenbote herüber schießt in wenig Sekunden, um – diese Erde zu – beleben. Wir bemerken im jetzigen Frühlinge wieder, wie jenes Licht ein neues Blüthenreich erzeugt. Und so erscheinen schon dem David Himmel und Erde als zwei Personen, die ein Wechselgespräch halten, wenn er sagt: “der Himmel antwortet der Erde und die Erde dem Himmel.” – Noch mehr: in diesem Erdball erkennen wir seine eigne unterbrochne Geschichte und Verwandlungen, die Spuren jener Fluten des alten Testamentes. Wir schreiben sie jenen Cometen zu, die aus den Tiefen der Sternenwelten uns näher treten, und erinnern uns der großen Einflüsse dieser Himmelskörper aus den leztern Jahren und dessen Begeisterung der ganzen Erde.

Das alles geben wir zu. Und wie denn, wenn diese E r d e schon solch geheimnißvolle Beziehung hat zum Himmel, – wenn Sterne gesendet werden, als Boten aus einer unbekannten Welt her, damit neue Verwandlungen dessen entstehen, was wir doch, als aus Gott gegangen, schon für vollkommen hielten; – wenn nichts irdisches entstehen kann, ohne eine Lictbotschaft vom Himmel; – – soll denen die Geisterwelt, die vielmehr ist als die Erde und sie regiert, soll sie seinen Boten empfahen? soll ohne einen Anfang und Anstoß von Oben ein ganz neues Menschengeschlecht entstehen? Ein kleines Kind sieht es ein, daß kein Brand entstehen kann ohne einen ersten Funken; daß kein Strom und Meer entspringen kann ohne Quell! wie kann ein Strom unerhörter Gedanken einen Anfang haben; wie kann nun in christlichen Staaten ein Meer von neuen Melodien und Gebeten ertönen, ohne daß der oberste Regent diesen Lichtgeist auf Erden sende?

Man verzeiht uns alle kühnen Schlüsse der Wissenschaft! – Man preißt jene Denker als kühne Geister, welche aus bekannten Gesetzen unbekanntere ahnden. Man nennt die große Sehe, die sich nicht mit der plumpen Erscheinung befriedigen, sondern immer nach dem suchen, was versteckt und doch verborgen liegt. So in den Dingen der Natur. Warum nenne man dieselben Geister Schwärmer im Felde der Religion und des christl. Glaubens. Sollen sie allein Tadel verdienen, wenn sie sich tiefer hineinahnden in eine Engelwelt, wenn sie nachgehen Jesu Chrisit Wort: “ich hätte euch noch viel zu sagen, aber ihr könnets nicht ertragen?” wenn sie willkommen rufen den Worten der Schrift, die uns immer wieder erzählen von jenen Boten des Lichts, und sich wol selbst von heil. Engeln und Wächtern ihrer Tugend ungesehen glauben? – wenn sie, obschon “Gott wohnt in einem Lichte, wozu niemand kommen kann” doch diese Klüfte ausfüllen mit einem heiligenden Glauben? – Die Naturforscher bekennen uns gern, daß wir in einer Welt unbekannter Wunder schweben. Fragt die Denker, welche die Luftarten zünden und wägen, welche den Lichtstrahl spalten, ob diese leerscheinende Luft zwischen uns leer sei? ob diese schwebenden Töne umher, ob diese Stäublein den Raum zwischen uns lassen eine Einöde sein? nenne mir das, was euch jetzt ins Herz dringt, was euren Geist spannt, was oft in diesem Raume ein stille Thräne in eurer Auge emportreibt? – Ihr könnt es nicht nennen! Wie denn? – Christen – ihr – unsterbliche Engel im Fleische! wie wenn der Herr unser Auge eröffnete, wie er sie einst auf Elia’s Gebet dessen Knecht eröffnete, was meint ihr, welche Gestalten würden wir vielleicht in diesen Räumen sehn – tief, tief im Schooße des Lebens, wahrhaft hier und uns nur noch verborgen im Schooße liebender Barmherzigkeit?

Meint ihr nicht, meine Freunde, wenn wir diesen Winken der Naturstufenweiß nachgehen, daß wir ihre sichtbaren Erscheinungen als Gott verehren? Wol hat der Versucher auch die Schrift gebraucht, um die Schrift zu untergraben und uns verschlagen erwähnt, daß der Herr auch seine Engel mache zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen, aber wir sollen die sichtbaren Elemente nicht selbst für Engel halten, wir möchten sie sonst bald wieder verehren und wie Israel das Kalb anbeten das da blöckt. – Tiefere Wesen wollen wir, die einer Maria erscheinen können, die in irgendeiner verklärten Gestalt Gottes Sohn verkündigen, die tiefer dachten als wir, die aus heiligern Abgründen des Himmels, die aus dem Dienste der Jahrtausende von Gottes Angesicht herübergingen zu uns armen Geschöpfen, uns zu veredeln; die nicht blos Feuerflammten, – – die die Inbrunst und Liebe selbst sind.

Und nun fragen wir: kann der Mensch, der solche Gottesboten läugnet, seine Würde je gefühlt, und nur etwas über sich empor geahndet haben? Was wird er, wenn er in seiner Seele selbst keinen Engel sieht, was wird ihm diese Seele sein, als ein Blumenkoth, den die Sonne aufgekocht zu sogenannten Gedankenduft? Was wird ihm der letzte Hauch seiner sterbenden Geliebten sein, mit dem vielleicht ihre Seele verbunden zu Jesu Paradies entflieht?

Ja wir fragen noch mehr: kann der, der aus des Vaters Schooße ging, nun nach vollbrachten Werk zu seiner ewigen Stätte zukehren; – kann der neue König der Geisterwelt, der Inbegriff aller Vollkommenheiten, vor dem sich alle Kniee hoher Menschen beugen sollen und beugen werden; – kann Jesus, der nach seinem eignen Wort vom Vater kam, kann und darf er von Geringern verkündigt werden als von Engeln, deren Gegenstand der Bewunderung er schon vor seiner Niederkunft auf Erden war? Aus der Unermeßlichkeit muß kommen der Keim, der wieder emporwächst zu einem unermeßlichen Werk.

Wir werfen jetzt einen z w e i t e n  B l i c k  herüber auf das heilige Gefäß,
dem Jesus verkündigt wird, a u f  M a r i a.

Wer ist diese gebenedeite Maria? wer ist die Erwählte, die nach Gottes unerhörter Barmherzigkeit den Welterlöser unter ihrem Herzen tragen soll?
Wir sehn zuerst auf ihr Geschlecht und ihren Stamm! Eine bräutliche Jungfrau wird sie genannt, eine Josephsverlobte vom Hause Davids. Das ist fast alles, was wir von ihr wissen. Wir kennen wol noch ihr irdisch Geschlechtsregister, ihren Ahnenbaum, ihre Abkunft von dem bewunderten Monarchen der Vorzeit. Der Adel ihres Stammes ist verdunkelt. Wer aber dieses Davids Leben aus seiner Geschichte und aus seinen Psalmen näher nachging, der siehe bei allem Sündenfalle, dem er unterlag, doch einen demüthighohen und wahrhaft königlichen Geist. Davids Tugenden und seine Gottbegeisterung mußten wol
das schöne Erbtheil der Maria auch in ihrer Armut sein.

Meint ihr aber, das uns  d a s  den Himmel Jesu und seines Reichs erkläre?
Wir sehen auch den S c h a u p l a t z, wo Maria lebte.

Sie lebt verborgen im stillen Nazareth. Nazareth liegt in Galliläa. Galliläa war das Paradies von Palästina. In diesem irdischen Gottesgarten, wo nach Josephus Beschreibung keine Pflanze verdarb, wo Palmen, Feigen, Oliven und Weintrauben 10 Monden Früchte trugen, ist auch die keusche Jungfrau Maria aufgeblüth.

Meint ihr aber, daß das Zusammenströmen aller Naturgeister, und aller Blüthenstaub eines reizenden Landes genug sein könne, um einen J e s u s  zu empfangen.

Aber das Paradies ihres Ahnherren liegt unter der Regierung eines wollüstigen und grausamen Königs. Er ist mit Heiden, mit Römern schon überschwemmt. Das Tiberias des letzten Evangeliums hat ja Herodes aus Kriecherei nach dem Kaiser Tiberius genannt. Die Volkspartheien stehn sich erbittert gegenüber. Die Sitten sind vergiftet. Ein gewisses Sehnen nach der Ankunft eines Erlösers an die Erfüllung der alten Verheißung, muß wol schon in der Maria sich oft und schmerzlich geregt haben, ehe noch die Kraft Gottes unter
ihrem Herzen lebendig wurde.

Meint ihr aber, daß dieser Druck, oder gar dieser Haß gegen die Fremden hingereicht habe, um einen Versöhner für unsere Sünden zu bilden?

Wir sammeln alle die einzelnen Züge auf, die wir in der heil. Geschichte von der Maria finden. Muß uns ja doch wol alles theuer sein, was die Mutter unsres Erlösers betrifft! – Wir stellen alle die gesitige Verwnadschaft zusammen, die sie mit Jesu hätte haben können. Wir finden Spuren von der Zartheit ihres Gewissens, welche die geringste Uebertretung fürchtet. Die Geschichte erzählt uns von einer kleinen Anzahl frommer Seelen, in deren Umgang sie lebte. Ihr Gebet, ihre Selbstverläugnung, ihre Einsamkeit, in der sie zubrachte, zeigt uns, wie sie empfänglich war, von Gottes gnade gerührt zu werden. Sie liebt Gott mehr als ihre Ehre, indem sie sich seinem Gebot ergiebt; sie liebt ihn mehr als ihr Vaterland, aus dem sie auf sein Geheiß entweicht; sie liebt ihn mehr als ihre äußere Ruhe und brachte ihrer natürlichen Liebe noch selbst der Größe ihres Glaubens zum Opfer unter dem Kreuze! – Und doch ist ihre Demuth vereint mit jenem Heldensinne, der sich über den nichtigen Tadel der Welt hinwegsetzt; daß wir uns nicht wundern dürfen, wenn eine so reine Kreatur, wenn dieser heilige Leib, der den Erlöser der Welt getragen, von einem so großen Theile des menschlichen Geschlechts göttliche Verehrung erhielt; ja daß ihr Beispiel der demuth und Liebe, daß ihr mildes keusches Bild das fromme Vorbild für Millionen wurde. In der Tath, man beschreibt uns die Gebirge, die Hölen, die schönen Gefilde Palästina’s, – man denkt mit Rührung der geweihten Plätze, darauf Jesus wandelte; warum sollte man die Maria, diese  n ä c h s t e  Erde, das  e i g e n t l i c h e  heilige Mutterland, in das Jesus herab stieg, nicht beschreiben und besingen?

Aber ihr würdet von neuem falsch schließen, wenn ihr meintet, daß wir uns zu einer Vergötterung der Maria hinneigten. Sie kann – wie herrlich sie auch gewesen – doch den Himmel eines Jesus nicht bilden, und Gott gab ihr nur geistige Verwandschaft mit ihm, um seinen Himmel zu verstehn –  und dies Kind menschlcih einzuführen ins Leben. Wol muß Jesus irdisch in ihr erscheinen. Gott kennt ja was für ein Geschlecht wir sind! Er weiß ja, daß wir Staub sind. Eine Religion für Engel will er noch nicht auf Erden gründen, die entbunden sind vom Fleisch, sondern für Menschen, für Engel  i m  Fleisch. – Irgendeine Erdgeborne – eine M a r i a, irgend eine Mittlerin mußte es sein, daß Jesus unter uns leben konnte. Aber wie sieht Jesus sie selbst an? Wol sieht er auch den Engel in ihr und ist ihr unterthan und sorgt für sie noch am Kreuz! – Aber – wie nimmt Er – das ewige Licht, ihre Muttergestalt, als man sie ihm einst meldet vor der Thür! Da fragt er: “wer ist meine Mutter?” und reckte seine Hand aus gegen seine Jünger und spricht: “Siehe da meine Mutter! wer den Willen meines himmlischen Vaters thut, der ist meine Mutter” u.s.f. Das ist die Sprache eines andern Reichs, als diese Erde kennt; die Sprache jenes heiligen Lichts, das nichts hat mit der Finsterniß! Das ist das Wort des Heiligen, der nicht gezeugt sein kann und darf auf thierischem Wege. –

——

Wir sagten im Eingange: darum, wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet!

Sage darum keiner, das er ein Christ sei, der diese Erscheinung läugnet! – sage niemand, daß er nur den Himmel selbst einer irdischen keuschen Liebe kenne, das er je ein Reich ewiger Unschuld gewünscht habe. Wer Maria wunderbare Empfängniß läugnet der läugnet mit ihr Gottes Sohn, und mit ihr die Nothwendigkeit eines unbefleckten Herzens zur Seeligkeit.

Ist nemlich Christus blos menschlich gezeugt, so ist er das Kind einer wollüstigen Dirne, so wa die Mutter verdammlich zu Gebären [handschriftl. Gebüren] für Unzucht, so war sie nach unserm Gesetz der öffentlichen Buße würdig.

Ist Christus Jesus menschlich erzeugt, ist dieser Maria der himmlische Kranz der Unschuld entrissen, dann ist Jesus ein Kind der Sünde, dann ist unsre seeligkeit aus einer schimplflich unreinen Quelle, dann hat Maria für wilde Sinnlichkeit Gnade bei Gott gefunden, dann hat alle thierische Belaufung der Menschen an Jesu Zeugung noch dazu ein verehrtes kirchlich geweihtes Muster.

Nein, m. Fr., es empört sich unsre ganze edle Natur gegen eine solche [unleserlich] Schrift und so gewiß ein reines heiliges unbeflecktes Leben über uns liegt, zu dem Gott selbst in unsern Sünden einen Schrei in unser Herz gelegt; so gewiß wir uns der Art unserer Entstehung schämen und sie für erniedrigend halten, so gewiß ist auch Jesus ein unter dem Herzen der Maria gewonnener unbefleckter Gottesgedanke, nicht entstanden, wie der Apostel sagt, durch eines Mannes Willen, nicht durch Jemandes Geblüt, (nicht in Stürmung [handschriftl. Stürmen] der Wollust, nicht im Rausche der Lippen!) – Sondern der Gott, bei dem kein Ding unmöglich ist, der kein Erdgesetz und kein Erdmittel brauchte, um die Erde selbst ihrem Nichts zu rufen, der den ersten Menschen schuf aus dem Wort ohne thierische Lust, der bedurfte auch zu Jesus, zu des neuen Urmenschen Zeugung keiner Betäubung unreiner Glieder! und wir preisen, danken und loben den heiligen Allmächtigen, das er uns auch in diesem Empfängniß einen wink gegeben zu einer neuen himmlischen Geburt, deren wir durch Heiligung und Nachfolge Christi einst theilhaftig werden sollen.

Und darum wiederholen wir mit der stillen Gelassenheit, die uns ziemt, und mit der Ruhe der Gewißheit, die bereit ist für die Wahrheit zu leiden: wer nicht glaubt, der hat über seinen Kopf und Herz selbst sein Urtheil gesprochen,
“der ist schon gerichtet.”

A m e n